Zahlen und Fakten

Klimaaktivist*innen wird häufig Alarmismus vorgeworfen. Mit Begriffen wie „Klimahysterie“ versuchen bestimmte Kommentator*innen alle diejenigen mundtot zu machen, die auf die dramatische Notlage und die katastrophale Untätigkeit der Regierungen weltweit hinweisen. So wurden auch die streikenden Schüler*innen aufgefordert, die Klimapolitik „den Profis“ zu überlassen. Eine Dreistigkeit, die sich PR-technisch nicht auszahlte, verweist die Klimabewegung doch von Anfang an auf die akribische wissenschaftliche Arbeit hunderttausender Profis aus der internationalen Klimawissenschaft.

Im November 2019 warnten 11 000 Klimaforscher*innen aus 184 Ländern in einer gemeinsamen Erklärung, dass ein „Klima-Notfall“ auf uns zu kommt und „unsägliches Leid“ nicht mehr zu verhindern sein werde, wenn nicht sofort radikale Maßnahmen ergriffen werden.

Das Projekt „Carbon Clock“ des Mercator-Instituts zeigt das verbleibende CO2-„Budget“ der Menschheit für das 1,5 Grad-Ziel und errechnet, dass dieses Ende 2027 aufgebraucht ist. Allerdings nur, wenn die weltweiten Emissionen konstant bleiben. Bisher steigen sie nicht nur kontinuierlich, sondern der Anstieg beschleunigt sich auch weiter.

Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung rechnet vor, was das weltweite CO2-Budget für Deutschland bedeutet. Obwohl er ausdrücklich die Frage einer gerechten Verteilung der weltweiten Emissionen ausklammert und Deutschlands Budget ausschließlich nach dem Anteil an der Weltbevölkerung errechnet, und darüber hinaus lediglich ein Ziel von maximal 1,75 Grad Erwärmung veranschlagt, kommt er zu dem Ergebnis, dass die deutschen Klimaziele vollkommen unzureichend sind und mit denen der allermeisten Länder „in die Katastrophe führen“.

Hinzu kommt, dass die Veröffentlichungen der Klimawissenschaft äußerst konservativ, das heißt sehr vorsichtig in ihren Vorhersagen sind, was zwar seriösen wissenschaftlichen Standards entspricht, aber leider auch dazu führt, dass die Gefahr in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin unterschätzt wird. So kommt auch eine Vergleichsstudie aus 2017 zu dem Schluss, dass die pessimistischsten Szenarien die realistischsten seien.

Das Jahr 2019 hat uns in erschreckendem Ausmaß vor Augen geführt, wie weit die Klimakatastrophe schon jetzt vorangeschritten ist. Neben tödlichen Hitzewellen, unvorstellbaren Zerstörungen durch Extremwetterereignisse und unkontrollierbaren Waldbränden in allen Teilen der Welt mussten wir auch erkennen, dass einige der Kippunkte im Klimasystem möglicherweise längst erreicht oder überschritten sind: Das Auftauen der arktischen Permafrostböden erreichte in manchen Regionen ein Ausmaß, das erst für das Ende des Jahrhunderts vorhergesagt worden war.

Angesichts dieser Faktenlage von Alarmismus oder gar „Klimahysterie“ zu sprechen, ist nicht nur ignorant und absurd, sondern auch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die schon heute unter dem Klimawandel leiden oder in den kommenden Jahrzehnten darunter leiden werden. Und es zementiert gesellschaftliche Verhältnisse, die eine Klimapolitik wie die gegenwärtige möglich machen.